Ich finde die Fragestellung etwas unscharf und auch ein bisschen voreingenommen. Meinung und Toleranz sind Begriffe, die schon in eine bestimmte Richtung werten. Meinungen sind subjektiv und Toleranz an sich erstrebenswert. Ich finde ehrlich gesagt, dass Toleranz und Freundschaft zu zwei völlig unterschiedlichen Themenkreisen gehören.
Toleranz ist letztlich für ein gesellschaftliches Zusammenleben in einer pluralistischen, offenen, freiheitlichen Demokratie unverzichtbar. Ich muss es nicht mögen, was mein Nachbar tut, aber solange es in seinen persönlichen Entscheidungsspielraum fällt, muss ich es aushalten, sprich tolerieren. Ob er oder sie z.B. Sonntags in die Kirche geht oder nicht, ob er oder sie wechselnde Sexualpartner/innen hat oder eine feste Partnerschaft, oder nichts oder beides... Symptahie spielt da keine Rolle. Solange es nicht gegen Gesetze verstößt, ist es o.k.
Anders bei Freundschaften. Diese basieren sehr wohl auf Sympathie. Wenn ich eine Person oder ihr Verhalten nicht mag, muss ich deren Existenz ertragen, aber ich muss nicht mit ihr befreundet sein.
Meiunung ist ein noch schwammigerer Begriff. Insbesondere seit der postfaktischen populistischen Attacke auf die Debattenkultur.
Für mich ist eine Meinung etwas, was zum Teil einer individueller subjektiver Betrachtung und Bewertung von objektiven Fakten entstammt, und zum anderen einer individuellen, subjektiven Grundüberzeugung.
Was ist eine Grundüberzeugung? Eine Grundüberzeugung könnte man auch als ein persönliches Werte- und Normensystem bezeichnen. Werte und Normen ist so ein Begriff aus Soziologie und Pädagogik. Werte sind als universell gültig verstandene ethische Prinzipien. Normen bestimmte gesellschaftlich vorgegebene Verhaltensrichtlinen für bestimmte Situationen.
Oft werden die Begriffe falsch verwendet oder verwechselt. Die sogenannte "Werteunion" ist in ihren erzkonservativen Zielvorstellungen z.B. viel stärker auf die Bewahrung und Durchsetzung sozialer Normen bedacht als auf ethische Werte.
Um ein Beispiel zu nennen: Familiensinn, Familienfreudnlichkeit wäre ein Wert. Familie = Vater + Mutter + leibliche Kinder in einem festen, ausschließlichen Gefüge, wäre eine gesellschaftliche Norm.
Ich sage es mal so: Freundschaften beruhen auf Sympathie. Diese oft auf Interesse, aber halt auch auf Gemeinsamkeiten. Ich kann von mir sagen, ich bin eher nicht mit Menschen befreundet, deren Wertesystem sehr weit entfernt von meinem liegt. Das selbe gilt für Menschen, die, was ihre gesellschaftlichen Normen angeht, sehr weit von meinen entfernt liegen. Zumindest, wenn diese Normen offensiv vertreten werden.
Ebenso könnte ich nicht mit Menschen befreunet sein, mit der ich keine gemeinsame faktische Grundlage habe, weil sie die Welt offenbar völlig anders wahrnehmen als ich. Es gibt Corona, Corona ist potentiell gefährlich, es gibt Klimawandel und er bedroht uns, es gibt einen Unterschied zwischen einer Demokratie und einem autokratischen System, auch wenn es Stufen zwischen den Reinformen gibt usw.
Soweit so gut. Wenn wir das geklärt haben, und wir haben eine Basis aus kompatiblen Grundsätzen, was Werte und Normen, sowie Fakten betrifft, können wir immer noch unterschiedlciher Meinung sein.
Man kann aufgrund der selben Fakten und mit ähnlichen Überzeugungen dennoch zu unterschiedlichen Meinungen kommen, da es noch einen Unterschied gibt zwischen dem, was wir in der Pädagogik als Ziel und Methode bezeichnen. Das Ziel ist das, was man erreichen möchte. Die Methode ist das, wie man den Weg dahin gestaltet. Auch politisch.
Dass wiederum hängt von unterschiedlichen Erfahrungen und Bewertungen von Verhältnismäßigkeiten ab. Und das ist meiner Meinung das, worüber es auch hier in der Oase am meisten Streit gibt. Denn allein hier gäbe es theoretisch die Möglichkeit, jemanden zu überzeugen.
Und da hängt für mich Toleranz sehr stark von der Meta-Ebene ab. Wie diskutiert wird, mit welchen Mitteln, und ob es Respekt und Augenhöhe gibt, ob es Kompromiss- oder Konsensbereitschaft gibt usw.