Gelernt habe ich Koch. In der Gemeinschaftsverpflegung vom VEB Carl Zeiss Jena. Dort wurde für ca. 6000 Personen Mittag bereitet. Es gab noch eine Schonkostküche und eine Küche für besser bemittelte Esser, bzw. jene, die auch gerne mal etwas Besonderes essen wollen und dazu tiefer in die Tasche greifen müssen, als es eigentlich normal war.
Nach der Lehre machte ich ein Studium an der Offiziershochschule „Ernst Thälmann“ in Zittau als Küchenleiter (Rückwärtige Dienste). Nach der Ernennung zum Fähnrich (15 Jahre Verpflichtung) wurde ich als Küchenleiter in die Funkerkolonie nach Blankenfelde beordert, wo ich auch als Küchenleiter tätig war. Durch die Missstände in der Wirtschaft und die Ungerechtigkeiten zwischen den Klassenschichten Offiziere und Soldaten bestärkt, reichte ich im Sommer 1987 mein Entlassungsgesuch ein. Ich konnte und wollte nicht mehr diesen ganzen Scheiß miterleben. Zudem war ich nicht in der Partei und stand daher eh auf der Abschussliste. Um aus der Armee vorzeitig gehen zu können, musste man sich einen Arbeitsplatz im zivilen Sektor suchen. Ich kannte einen Kumpel, dessen Freundin hier in Selchow wohnte. Es gab hier eine Betriebsküche für die Landwirtschaft, genauer: VEG Waßmannsdorf. Ich fragte dort nach, ob sie eine Stelle frei hätten. Sie hatten. So wurde ich genau Mittags, am 31. 12. 1987 unehrenhaft aus der Armee entlassen und bezog mein neues Quartier in der Zivilgesellschaft.
In der Betriebsküche wurde für etwa 250 – 300 Leute gekocht. Es gab eine Lehrlingsverpflegung und es wurde für den betriebsansässigen Kindergarten gekocht. In dieser Küche lernte ich zum ersten Mal richtig kochen, denn es ist schon ein Unterschied, ob man Massenverpflegung für 6000 Leute produziert, oder für ca. 300 Leute Essen zubereitet. Da hieß es umdenken und neu ausrichten. Nach etwa 2 Jahren war ich dann auch soweit und leitete einen Sommer lang ein Kinderferienlager als Chefkoch. Vorher war ich der einzigste Koch für etwa 15 - 18 Personen, die an einem betriebsinternen Ferienort Urlaubsbungalows hochzogen. Es war eine schöne Zeit und ich hätte es gerne nochmals gemacht. Leider kam die Wende dazwischen. Für etwa 1 Jahr war ich als Austauschkoch in der damaligen Reparaturregion des Flughafens Berlin Schönefeld von Interflug beschäftigt. Dummerweise wollte ich damals in meine alte Küche nach Selchow zurück, sonst wäre ich vermutlich noch immer dort, denn die Chefs wollten mich behalten. So ging ich zurück, der alte Chef floh in den Westen und ich übernahm alle Prioritäten. Leider nur für kurze Zeit, weil es viele Entlassungen gab und das Essen einfach zu teuer wurde, um die Küche länger rentabel halten zu können. Das Schlossgut wurde dichtgemacht und die Küche geschlossen.
Ich kam dann zur ABM. Machte beim Forst meinen unbefristeten Kettensägeschein. Leider wurden zuerst die Leute berücksichtigt, deren Eltern eh schon beim Forst dauertätig waren. Deshalb konnte ich dort keinen Fuß fassen. Unsere ABM-Gruppe fällte Bäume in der Gemeinde und war für die Mäharbeiten der Region zuständig. Leider wächst im Winter kein Gras und somit wurde ich arbeitslos. Ich bewarb mich bei einer Recyclingfirma, die in Waßmannsdorf zufällig ihren Standort hatte, als Bauhelfer und wurde prompt eingestellt. Dort arbeitete ich mich schnell zum Baggerfahrer hoch, machte aber leider keinen Schein dafür, was im Nachhinein von Nachteil ist, wenn man sich woanders bewerben will. Betriebsintern allerdings konnte ich fahren wie ich es gelernt hatte. 1999, kurz vor Weihnachten wurde ich neben vielen anderen Langjährigen entlassen und war wieder arbeitslos. Sechs Jahre für die Firma und nun nichts...
Ich machte meinen Staplerschein, weil ich wusste, dass es hier in der Nähe jede Menge Speditionen gab. Ein Freund von mir sponserte mir das Geld für den Schein, das ich zu der Zeit nicht zur Verfügung hatte. Das Arbeitsamt wollte mir einen Lehrgang von 2 Jahren aufdrücken, mit Kosten von etwa 1500, die es natürlich selbst tragen würde. Angeblich. Meine Staplerfahrerlehrzeit dagegen kostete nur 550 und wurde bei der DEKRA Berlin Tempelhof in 3 Tagen abgefertigt. Das Arbeitsamt lehnte sich dagegen aus, mir das Lehrgeld zurückzugeben. Vielleicht wollten die Leute nicht, dass ich schnellstens auf Eigeninitiative Arbeit finde und ihnen und den Steuerzahlern nicht mehr zulasten bin.
Dann bewarb ich mich bei sämtlichen Speditionen in Großbeeren, wo ich ja heute noch arbeite. Eine davon nahm mich, wobei ich den Eindruck habe, dass da nur Bekloppte arbeiten – auf dem Einstellungsschein fehlte eigentlich nur noch unten das anzukreuzende Kästchen mit dem Satz: Ja, ich bin bekloppt – und man wird eingestellt. Zumindest hat sich diese Meinung mir in den Jahren, in denen ich jetzt hier noch immer beschäftigt bin, gefestigt. Mittlerweile bin ich eine Art Vorarbeiter, zufällig der Sicherheitsbeauftragte (der sowieso nichts zu sagen hat, aber es fand sich kein anderer Depp, der den Posten übernehmen wollte), fahre nur Stapler und entlade die LKWs. Meine Kiste mit Holz ist jeden Tag voll (was jetzt nicht bedeutet, ich mache viel kaputt, bloß um meine Kiste vollzukriegen) und habe ca. 5 Fernfahrer, die, wenn sie Stahl fahren, mir die Ladehilfsmittel (Balken) mitbringen, die ich als Baumaterial und Feuerholz nutze (je nach Zustand). Somit habe ich keine Heizkosten, einen geregelten Job (ich mache nur Nachtschicht), meine Kohle und einen festen Wohnsitz nebst Garten. Mir geht es gut und wenn ich nicht zu große Auslagen habe, komme ich auch gut mit meinem Geld klar. Ich erlebte schon schlechtere Zeiten und weiß wie es ist, wenn man vorm Sozialamt steht und um Geld betteln muss! Da wir trotz angeblicher Wirtschaftskrise dennoch genügend Waren bekommen und die Firma trotz mehrmaligen Chef-Wechsels noch immer besteht, denke ich mal, dass ich diese Arbeit bis zur Rente ausüben werde, solange nichts dazwischen kommt. Meinen Platz in dieser Arbeitswelt habe ich mühsam erschaffen und ausgebaut, meine Arbeit und Person wird anerkannt und der Job ist eine tägliche Herausforderung. Wer sich dem Stress nicht ergibt, kann eigentlich gut damit leben. Das und vieles andere musste ich natürlich auch lernen.
Ich fahre gerne auf Arbeit. Sie macht mir Spaß. Zwar wird sie nicht wie in gewissen anderen Speditionen fürstlich belohnt, aber im Hinblick auf meine Wohnzustände und dem Maßstab, den ich mir angelegt habe, komme ich eigentlich gut zurecht. Im Hinblick auf früher – es ging mir schon schlechter. Daher...
Andere Geldeinnahmequellen habe ich nicht. Aber – ich arbeite dran...