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Nachtmensch

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1

Sonntag, 30. Oktober 2016, 22:18

Irrationale Ängste

Ich mache jetzt mal einen eigenen Thread auf, da es den Rahmen der bestehenden Threads sprengen würde.

Es hat auch nur am Rande damit zu tun, denn es ist ein weiterreichendes Thema. Es soll auch weniger um die konkreten Ängste einzelner gehen, als um die Frage, wie man damit umgeht, persönlich und gesellschaftlich.

Vielleicht beginne ich einmal mit dem letzten Aufhänger, an dem sich in meinem privaten Umfeld eine Diskussion entzündet hat. Es ging um die Frage, wie man als Mann damit umgeht, dass die eigene Anwesenheit allein in manchen Situationen schon Ängste bei Frauen auslösen kann. Konkretes Beispiel war folgendes Szenario: Eine Frau ist nachts bei Dunkelheit und Nebel alleine zu Fuß auf dem Heimweg auf einer mäßig beleuchteten Straße unterwegs. Ich als ein ihr unbekannter Mann ebenfalls. Zufällig gehen wir in die selbe Richtung. Sie läuft etwa 20 Meter vor mir, als ich in die Straße einbiege. Sie kennt mich wie gesagt nicht, nimmt mich aber wahr. Sie nimmt ebenfalls wahr, dass ich ihr in einigem Abstand folge, dass ich groß und breit bin, und vermutlich schwarz gekleidet. Das ist ihr unheimlich, und sie entwickelt eine irrationale Angst vor dieser Situation. Irrational deswegen, weil ihr natürlich real von mir keinerlei Gefahr droht.

Jetzt gab es zwei Ansichten:
Die einen waren der Ansicht, dass ich als Mann nun die moralische Verpflichtung habe, z.B. durch Wechseln der Straßenseite, durch Abwarten etc. die Situation zu entschärfen.
Die anderen, darunter auch ich, waren der Ansicht, dass ich diese Verpflichtung nicht habe, da ich mein Verhalten nicht an die irrationalen Ängste einer anderen Person anpassen muss. Von mir droht ihr wie gesagt real keine Gefahr. Im Gegenteil. Rein rational betrachtet, erhöht meine Anwesenheit ihre Sicherheit sogar, da ich nämlich eingreifen werde, sollte sie von jemandem angegriffen werden, und natürlich grundsätzlich ein Zeuge bin, der den ein oder anderen Gewalttäter abschrecken dürfte.

Zudem sehe ich es nicht ein, mich als Mann unter Generalverdacht stellen zu lassen. Und mein Interesse ohne Unterbrechung oder unnötige Umwege meinen Weg fortzusetzen ist exakt gleich relevant und gleichwertig wie ihr Interesse, das selbe zu tun.

Daraus entstand die abstraktere Frage, inwieweit man als Individuum von anderen oder der Gesellschaft verlangen kann, dass sie auf persönliche irrationale Ängste Rücksicht zu nehmen haben. Wie weit darf ich aufgrund einer rein subjektiven Empfindung die Rechte eines anderen beschneiden?


Ich habe mit folgendem Beispiel geantwortet: Ich kenne selbst irrationale Ängste. Ich habe zum Beispiel eine irrationale Angst vor Hunden. Diese Angst ist begründet, und nachvollziehbar, aber sie ist und bleibt irrational.

Die Begründung ist sehr einfach: Ich war als Kind (5 oder 6 Jahre alt) mit meinen Eltern zu Besuch bei Bekannten, die neu gebaut hatten. Irgendwann wurde es uns Kindern beim Kaffeetrinken langweilig, und wir gingen nach draußen. Das Haus lag in einem Neubaugebiet. Und auf einem der Nachbargrundstücke hatte der Rohbau noch nicht begonnen. Es lag dafür ein riesiger Sandhaufen dort. In meiner Erinnerung sicher sechs Meter lang und drei Meter hoch. Ein Kinderparadies. Also begannen wir dort zu spielen. Sicher waren wir laut und wild. Und vielleicht haben wir Leute genervt, die in der Nähe gewohnt haben. Definitiv haben wir wohl einen Hund genervt, der dann laut bellend aus dem Vorgarten eines angrenzenden Grundstücks angerannt kam, und sich ohne weiteres Vorgeplänkel in meinen Unterschenkel verbissen hat. Da hing er dann mehrere Minuten, bis sein Frauchen kam, uns alle ordentlich geschimpft hat, weil uns ihr Hund gebissen hat, Bis sie mit dem immer noch wütend bellenden Hund im Schlepptau wieder verschwand. Ich hatte einen fetten Bluterguss, mehrere Fleischwunden, und bekam eine Tetanusimpfung. Eine Entschuldigung bekam ich nicht. Die Frau hat es meinen Eltern so erklärt: da ihr Hund nicht beiße, und grundsätzlich ein guter Hund sei, müsse es logischerweise meine (unsere) Schuld gewesen sein.

Seitdem habe ich eine irrationale Angst vor Hunden generell. Sie müssen nicht groß sein (Der Hund, der mich gebissen hat, war auch nur mittelgroß), es müssen keine Kampfhunde sein, es reicht, dass es Hunde sind, denn als Kind in der Phase, in der mein Unterbewusstsein gelernt hat, wie die Welt funktioniert, wurde abgespeichert, dass Hunde generell kleine beschissene aggressive Beißmaschinen sind, die ohne Vorwarnung und ohne Grund zuschlagen, und böse aua machen können. Da hilft es nicht zu wissen, dass die Wahrscheinlichkeit erneut unprovoziert von einem Hund angegriffen zu werden, eher gering ist.

Das steht jetzt so. Hunde sind böse. Und Mit Ausnahme von Bernhardinern und Irischen Hirtenhunden, die ich zuvor schon als nett kennen gelernt hatte, verursacht mir heute noch die bloße Anwesenheit eines Hundes ein beklemmendes Gefühl, das in Panik umschlägt, sobald einer bellend und unangeleint auf mich zu kommt.

Trotzdem weiß ich, dass die Angst irrational ist. Ich weiß, dass objektiv in der Regel keine Gefahr besteht. Ich weiß, dass ich das Problem habe, und nicht die Hunde das Problem sind. Und darum stelle ich mich nicht hin, und verlange, dass sich die Gesellschaft mir anpasst. Ich fordere kein Hundeverbot, ich fordere keinen generellen Maulkorb- oder Leinenzwang, und ich erwarte auch nicht, dass Hundehalter die Straßenseite wechseln, wenn ich ihnen entgegen komme.

Ich muss lernen mit meiner Angst zu leben, z.B. indem ich lerne mit Hunden klar zu kommen, oder indem ich ihnen aus dem Weg gehe. Das ist mein Job, in einer Gesellschaft, die Hundehaltung erlaubt.

Ich muss Hunde deswegen nicht mögen. Ich muss auch Hundehalter nicht mögen. Ich gehe sogar so weit zu sagen, dass es in meinen Augen keinen vernünftigen Grund gibt, sich einen Hund anzuschaffen, außer man ist Jäger oder blind, aber das ist meine Meinung, und ich gestehe anderen zu, anderer Meinung zu sein. In meine Wohnung kommt auch kein Hund. Punkt. Denn das ist meine Wohnung, und da habe ich das Hausrecht. Die Straße dagegen gehört allen. Und da kann ich den Leuten aufgrund meiner persönlichen Behinderung keine Vorschriften machen.

Fantomas

unregistriert

2

Sonntag, 30. Oktober 2016, 22:28

Hallo, Nachtmensch!

Ich hatte einen fetten Bluterguss, mehrere Fleischwunden, und bekam eine Tetanusimpfung. Eine Entschuldigung bekam ich nicht. Die Frau hat es meinen Eltern so erklärt: da ihr Hund nicht beiße, und grundsätzlich ein guter Hund sei, müsse es logischerweise meine (unsere) Schuld gewesen sein.


Also, ich hätte nach einer solch haarsträubenden Geschichte (gab's keine Unterstützung von Deinen Eltern? Keine Anzeige?) einen sehr rationalen Groll gegenüber der Hundehalterin empfunden.

Zu Deiner Frage: Bei mir hat sich mit zunehmendem Alter eine solide Höhenangst entwickelt, völlig ohne jeden Anlaß, also irrational.

Nachtmensch

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3

Sonntag, 30. Oktober 2016, 22:43

Das war damals nicht üblich, jeden wegen jedem Scheiß anzuzeigen. Und das Wort von selbst drei oder vier Kindern zählte nicht viel gegen das Wort eines Erwachsenen

Fantomas

unregistriert

4

Sonntag, 30. Oktober 2016, 22:51

Ich bin kein Freund davon,
jeden wegen jedem Scheiß anzuzeigen.
Aber der Halterin eines Köters, der sich minutenlang im Bein eines Kindes festbeißt, hätte man auch vor 20 oder 30 Jahren schon was erzählt - und zwar juristisch. Und aus dem von Dir geschilderten Grund ist Deine Angst auch nicht irrational.

Nachtmensch

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Sonntag, 30. Oktober 2016, 23:17

Natürlich ist die Angst vor Hunden generell irrational. Nur weil einmal einer zugebissen hat, heißt das ja nicht, dass jeder Hund beißt, dem ich begegne. Aber ich habe vor all diesen völlig harmlosen Hunden Angst.

Das ist meiner Ansicht nach irrational.

Es mag sein, dass auch damals schon eine Halterin hätte haftbar gemacht werden können, aber meine Eltern haben noch nie etwas davon gehalten, jemanden anzuzeigen. Abgesehen davon: was hätte es gebracht?

Frechdacs

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Sonntag, 30. Oktober 2016, 23:24

Bzgl. der Frau, ist kein Mann verpflichtet die Straßenseite zu wechseln.

weiter noch, du sagtest ja in deinem Beispiel, dass ihr euch unbekannt seit. Wer garantiert also, dass von ihr keine Gefahr ausgeht? Nun nicht im Sinne, dass sie eine Handfeuerwaffe, ein Messer oder was weiß ich mit sich führt. Es reicht doch schon aus, wenn sie in ihrer Panik Pfefferspray einsetzt oder einen rape Alarm benutzt.

wieso sollten andere Personen unter irrationalen Ängsten eines anderen leiden. Man kann alles in den Griff kriegen, wenn man will.

ich litt Dekadenlang an einer irrationalen Spinnenphobie, die ich selbst heilte. Nachdem mein Ex versuchte mich zu töten und mich danach durch Psychoterror gefügig machen wollte, war ich auch auf mich allein angewiesen. Viele Leute haben die größte Angst vor der Eigenverantwortung.

Dany

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Sonntag, 30. Oktober 2016, 23:26

Ängste müssen nicht irrational bleiben. Ich hatte und habe noch eine ganze Reihe davon. Man kann zwar damit leben aber sie auch bewusst ausschalten. Im deinem Fall indem du Kontakt zu Menschen aufnimmst die die Verhaltensweisen von Hunden genau kennen und erklären können. Da der Hund ein recht einfaches Lebewesen ist und instinktiv reagiert kann man lernen ihn zu lesen.

Das erfordert sicher etwas Aufwand und Eigeninitiative aber es könnte die Lebensqualität verbessern. Angstfrei leben hat schon was zumindest was die irrationalen Ängste angeht. Die rationalen haben schon einen Sinn und sind notwendig...
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Sato

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Montag, 31. Oktober 2016, 07:40

Ich denke, es ist nie gut, ein absolutes Dogma aus etwas zu machen. Generell ist es ganz sicher richtig, das individuelle irrationale Ängste nicht die Lebensgestaltung anderer, besonders unbeteiligter Menschen beeinträchtigen sollten. Aber die individuelle Situation ist nochmal was anderes. In deinem Beispiel: merke ich, die Frau gerät in eine größere Panik, bricht mir meine Lebensgestaltung nicht weg, wenn ich, um sie zu beruhigen, die Straßenseite wechsle. Oder andere Mittel des Beruhigens fände.

Handelt es sich um enge Freunde oder Lebenspartner kann ich den Anspruch, den Dany im Prinzip zu Recht formuliert, nämlich das der/die Anderen an ihren Ängsten zu arbeiten hat, auch nicht als Dogma leben. Um in deinem Beispiel zu bleiben: trifft eine Frau auf dich, für die du die Liebe ihres Lebens wirst und umgekehrt, wird sie sich keinen Hund anschaffen. Wenn sie schon einen hat, wird es schwieriger, dann braucht es einen Kompromiss, zb keinen neuen Hund, wenn der alte Hund stirbt und du gehst in eine Therapie bzw zum Hundeflüsterer.

In einer Beziehung muss man auch verzichten können, sich zurück nehmen - und dabei darf man einen wichtigen Denkfehler nicht begehen: nämlich, das man es für den Anderen täte, unter der Prämisse kommt bald Wut und Ärger auf und die Beziehung zerbricht. Und es stimmt ja auch gar nicht. In Wirklichkeit tut man es für sich, weil man den anderen will, oder, wenn man es so formulieren will, für die Beziehung. Aber das ist schon wieder ein anderes Thema.
SM ist, wenn man trotzdem lacht

"In der Liebe versinken und verlieren sich alle Widersprüche des Lebens. Nur in der Liebe sind Einheit und Zweiheit nicht in Widerstreit."

Rabindranath Tagore

HomerSimson

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9

Montag, 31. Oktober 2016, 10:42

Nö, Du bist nicht VERPFLICHTET auf Irrationale Ängste einzugehen. Aber wenn Du es merks, schadest Du Dir wenn Du darauf eingehst?

Exakt das Selbe mit dem Heimweg ist mir im April passiert. Nur war es keine Frau sondern ein schmächtiger Jüngling. Wir stiegen an der Bushaltestelle aus. Ich trug einen Ledermantel und Hut und wir hatten den selben Heimweg. Ich merkte wie er schneller ging, sich immer wieder umdrehte. Da habe ich einfach laut gesagt "Hey, keine Bange ich wohne in der B-Straße 128. Wir haben den selben Weg."

Auch bei anderen irationalen Ängsten - das mit den Spinnen kann ich gut nachvollziehen - kannst Du reagieren, ohne das dir ein Zacken aus der Krone fällt oder Du Dich groß beschneiden mußt. War dienstlich mal unterwegs und sollte in eine Wohnung, Der Typ züchtete Spinnen. Er merkte wie mir die Farbe aus dem Gesicht wisch und meinte einfach "Ach, gehen wir auf die Terasse weiter reden." Situation gelöst.

Ich fühle mich halt selber Unwohl wenn wer in meiner Nähe Angst hat. Wenn ich was tun kann, dann werde ich das machen. Denn oft ist es kein großer Akt. Kämst Du etwa bei uns auf Besuch, würde den Hund z.B. in den Garten lassen. Du würdest Dich wohlfühlen und für mich (und den Hund) wäre es kein Ding,

Nachtmensch

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Montag, 31. Oktober 2016, 11:28

Im Einzelfall kann man immer Lösungen finden. Und es steht ja nicht geschrieben, dass man keine Rücksicht nehmen darf. In der Diskussion ging es jedoch darum, dass einige Menschen meinten, es gebe in solchen Fällen eine moralische Verpflichtung zur Rücksichtnahme, also genau um das von Sato angesprochene Dogma.

Wenn ich sehe, dass eine Frau durch mein Verhalten in Panik gerät, werde ich vermutlich auch reagieren, aber ich werde nicht jede mir mögliche Anstrengung unternehmen, um eine solche Situation von Vorneherein zu vermeiden.

Fahren wir mal die Kamera noch ein Stück zurück. In und um U-Bahnen klaffen das subjektive Sicherheitsempfinden der Menschen und das objektive Risiko weit auseinander. Menschen fühlen sich in U-Bahnen aus verschiedenen Gründen nicht sicher. Dazu gibt es Untersuchungen. Faktoren wie die räumliche Enge, die verhältnismäßige Dunkelheit, das Eingesperrtsein unter der Erde, die besondere Geräuschkulisse, und natürlich die räumliche Nähe zu anderen Fahrgästen setzt uns einem gewissen Stress aus. Dazu kommt eine in den Medien verzerrte Darstellung (da Filme etc. natürlich gerne bekannte Ängste aufgreifen) Darum fühlen sich viele Reisende in einer U-Bahn bedeutend weniger sicher, als sie sind.

Insbesondere das Risiko Opfer eines gewalttätigen Übergriffs zu werden, wird deutlich zu hoch bewertet. Jetzt stecken wir in einem Dilemma. Wenn Menschen sich in einem Verkehrsmittel nicht sicher fühlen, sind sie weniger bereit, es zu nutzen. Da die objektive Sicherheit in der Einschätzung keine Rolle spielt, wird man als Betreiber versuchen, das subjektive Sicherheitsempfinden zu erhöhen.

Das will man z.B. über eine flächendeckende Videoüberwachung erreichen. Jetzt kann man über die Präventivwirkung der Videoüberwachung trefflich streiten, es gibt Studien, die einen Kriminalitätsrückgang erkennen, solche die lediglich eine Verdrängung an andere Orte feststellen, solche, die keine Veränderung feststellen, und sogar solche, die von einem Anstieg der Kriminalität berichten (wobei das statistisch zu erklären ist, da die Dunkelziffer stark abnimmt)
Aber bleiben wir mal bei der Subjektivität. Selbst wenn eine Überwachung keine objektive Wirkung haben sollte, ist sie dann durch eine subjektive Wirkung zu rechtfertigen? Denn es ist so: Eine Videoüberwachung beeinträchtigt mein Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung. Insofern muss eine Güterabwägung erfolgen, die die Verhältnismäßigkeit einer solchen Maßnahme rechtfertigt. Zudem kosten solche Maßnhamen natürlich Geld. Geld, das ich über eine Fahrpreiserhöhung eventuell mit bezahlen muss. Und da wird es schwierig. Ein rein privater Verkehrsanbieter könnte sich hier auf den Standpunkt stellen, dass es die Fahrgäste entscheiden sollen. Wenn sich mehr Leute entscheiden, jetzt wieder sein Verkehrsmittel zu benutzen, weil sie sich sicherer fühlen, als Leute sich entscheiden, das nicht mehr zu benutzen, weil sie es zu teuer finden, oder sich in ihrem Recht auf informationelle Selbstbestimmung verletzt sehen, dann hatte er vermutlich Recht.

Bei einem Anbieter, der ganz oder in Teilen aus öffentlichen Mitteln finanziert wird, sehe ich es ein bisschen anders. Zumal da noch hinzu kommt, dass man mit einem begrenzten Budget arbeitet, und die Erhöhung der subjektiven Sicherheit an einem eh schon sicheren Ort womöglich zu Lasten echter Prävention geht, die an einem tatsächlich gefährlichen Ort stattfinden sollte.

Zumal Studien zeigen, dass Kameras das subjektive Sicherheitsempfinden weit weniger positiv beeinflussen als z.B. die Anwesenheit eines Schaffners oder gar Security-Personals.

Aber das wäre natürlich noch teurer.

HomerSimson

unregistriert

11

Montag, 31. Oktober 2016, 13:49

Das wird jetzt ein gesellschaftspolitischer Diskurs glaube ich...

Was Du beschreibst ist ist ähnlich wie die Angst im Parkhaus wo sich alle unsicher fühlen - weil wir diese Situation durch Filme so gelernt haben. Ich kenne keinen Fall von Vergewaltigung in den letzten Jahren in einem Parkhaus - aber unzählige Fälle von sexuellen Übergriffen in den eigenen Vierwänden - da wo kein Mensch Angst hat vor Vergewaltigung. Das sind so Sachen im Kopf die anerzogen sind oder aus Urängsten resultieren. Mein bester Kumpel - hat den 10. Dan und reist mit seinem Dōjō durch halb Europa u an Wettkämpfen teilzunhemen schaut jeden Abend erst mal unter sein Bett ob da nicht irgend was ist (Urangst: Bevor Du dich schlafen legst, guck mal nach ob kein Getier an Deinem Lagerplatz ist)

Video bringt was. Alles empirisch belegt. Vor allem die Aufklärungsrate steigt stark an (klar, ist ja alles auf dem Schirm zu gucken). Das ist auch das, was in der oft zitierten Studie zur Videoüberwachung in Berliner U-Bahn nicht berücksichtigt wurde: Nach Einführung der Kameras STIEG die Ermittlungsrate stark an. Statistisch ganz klar, denn jetzt wurde jedes Vergehen verfolgt weil es festgehalten war Die Kriminalität als ganzes geht aber nicht zurück - sie verlagert sich an andere Plätze. Die Stadt Seatlle ging mla gegen ihre Junkies im Park so vor, das sie Lautsprecher instalierte aus denen klassische Musik tönte. Der Park war ruck-zucl leer und sicher - aber das Proble war nur verlagert und fand sich wo anders wieder.

Nachtmensch

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Montag, 31. Oktober 2016, 14:17

Dass es wirklich was bringt, ist umstritten. Z.B. hat sich laut einer Studie im Zuge der allgegenwärtigen Videoüberwachung in England die Mode verändert: Gewisse Milieus tragen jetzt zu jeder Jahreszeit bevorzugt Baseballcaps und darüber weite Kapuzenpullis in der Stadt.

Hier mal eine weitere Ansicht aus England, bekanntlich dem Mutterland des flächendeckenden CCTV (allerdings schon von 2008):

Zitat

Milliardenschwere Investitionen in ein landesweites System von Überwachungskameras haben in Großbritannien die Kriminalität kaum eingedämmt. Das Netz mit mehr als vier Millionen Videokameras sei ein "völliges Fiasko", erklärte jetzt der Chef Scotland Yard-Abteilung für Video-Überwachung, Mike Neville. Kriminelle würden die Kameras längst nicht mehr fürchten, sagte der Chefinspektor nach Angaben des Senders BBC bei einer Sicherheitskonferenz in London.

Der Hauptgrund ist nach Darstellung von Neville, dass viel zu wenige qualifizierte Polizisten für die Auswertung der Flut von Videodaten zur Verfügung stehen, die von den Kameras rund um die Uhr erfasst werden. So seien lediglich drei Prozent der in der Millionenstadt London verübten Raubüberfälle mit Hilfe von Überwachungsvideos aufgeklärt worden.

Kriminelle würden angesichts dessen davon ausgehen, dass die Kameras in der Praxis gar nicht funktionieren, klagte der Chef-Überwacher. Der Abschreckungseffekt der Big-Brother-Kameras sei quasi verpufft. "Milliarden von Pfund wurden für die technischen Ausrüstungen ausgegeben", sagte Neville, "doch es wurde kaum ein Gedanke darauf verwendet, wie die Polizei die Aufnahmen auswerten muss und wie sie vor Gericht verwendet werden können.

Merlin

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Montag, 31. Oktober 2016, 17:38

Irrational ist ja eher schnell der halbe Wahnsinn, also das was man sich im eigenen Kopf so selbst ausmalen kann. Was kann alles mit mir passieren?
Gut, dann verlässt man seine eigenen vier Wände eben nicht mehr.
Angst ist ja nicht gleich irrational.
Wir haben immer mal mehr oder weniger Ängste, meine Ängste sind immer in etwas begründet wo jemand außen stehender sagen würde das ist pur irrational.
Lässt man, wenn man seine Ängste nicht sieht der Irrationalität auch gleich jeden Raum?
Weiß ich nicht, hab' ich keine Ahnung von .....

Sato

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Montag, 31. Oktober 2016, 17:55

Es war mir schon klar, das der nächste Schritt in der Diskussion der ins (gesellschafts-) Politische sein muss. Und richtig, Merlin, wo beginnt die Irrationalität und wer bestimmt das?

Hier wird es noch schwieriger werden, allgemein zu fassen, was gemacht werden soll, darf oder nicht. Die Gesetzgebung hetzt hier nicht nur der öffentlichen Meinung, ja oft leider sogar den populistischen Angstparolen hinterher wie zb in der ständigen Verschärfung des Sexualstrafrechts, des Aufenthaltsrechts, aber auch weniger spektakulären Regelungen. Hier greifen uU immer mehr die paranoiden Überängste der modernen Gesellschaft. Offensichtlich produziert unser extrem hohes Niveau, auf dem wir leben, erst recht massiv Ängste.

Noch schlimmer ist, das da, wo unsere freiheitlich - demokratischen Grundwerte bereits massiv gefährdet sind, die Politik und wir alle noch gar nicht erkannt haben, von wo und wie bzw warum Gefahr droht. Der wirklich heftige Punkt ist nämlich nicht mit Überwachungskameras, Sicherheit vor Kriminalität etc allein erfasst, die Welt ist schon viel weiter, sehr viel weiter.

Es geht dabei um Algorithmen und Quants. Mit Hilfe der Algorithmen und der Quantisierung von Daten wird aus den Datensammlungen aller digital vorliegenden Infos auf Grund verschiedenartigster Sicherheitsbedürfnissen, die mal rational waren, aber inzwischen in irrational maßlose (?) Höhen abheben, eine Gefahr.

Man wird mathematisch immer genauer voraus berechnen können, wie jeder einzelne von uns sich verhalten könnte und das wird dann als verlässlich eingestuft. Wir sehen das zb am Finanzmarkt, wo Computer bestimmen, was wann warum verkauft/gekauft wird und schon Abstürze produziert hat. Waffensysteme werden selbstständig entscheiden, wann sie los legen, selbstfahrende Autos, wenn sie im Notfall eher überfahren, für die Polizei gibt es bereits erste Test - Programme, die vorausberechnen, wo und wann es zu einer kriminellen Tat kommen wird.

Zitat

Zitat
Sie (die Mathematiker) sitzen heute in Hochsicherheitstrakten von staatlichen Einrichtungen und privaten Unternehmen, die Zugang zu immensen Daten haben. Hier fusionieren und prognostizieren die „Quants“ munter weiter. Doch eben nicht mehr nur, wie sich aufgrund der akuten Ebola-Epidemie der Aktienwert eines Schutzmaskenherstellers, eines Pharmaunternehmens oder einer afrikanischen Airline entwickelt. Das mag nur zynisch aus Sicht von Gutmenschen sein.

Jetzt prognostizieren die Algorithmen der „Quants“, wer bald nicht mehr kreditwürdig ist, wer alles vor Renteneintritt stirbt, wer möglicherweise Randale bei einer Demo macht, wer verstärkt dazu neigt, die Versicherung zu betrügen, wer wohl besser nicht eingestellt wird, weil sie bald schwanger oder er bald Erziehungsurlaub nimmt oder weil er zu kontaktarm ist, denn in seinen Netzwerkprofilen finden sich nur wenig Freunde und Aktivität. Oder welche Jugendliche aufgrund ihrer Schulnoten, Herkunft, Freundeskreis und offensichtlichen Neigung zu digitalem Entertainment es nicht wert sind, ein Stipendium zu erhalten etc. pp.

Nach aktuellen Umfragen würden sich etwa zwei Drittel der deutschen Autofahrer überwachen lassen, um weniger Versicherungsprämie zahlen zu müssen.“

Ähnlich hohe Zustimmung werden wir wohl erfahren, wenn die ersten Krankenkassen elektronische Gesundheitsarmbänder mit vergünstigten Tarifen anbieten. Und ebenso werden wir alle bald mit Begeisterung unser Heim elektronisch überwachen lassen, weil wir damit Versicherung und Heizkosten sparen.

Der nächste Schritt ist bald nicht mehr weit. Das Solidarprinzip wird gesellschaftlich nur noch denen zugestanden, die sich mehrheitlich konformistisch verhalten. Rauchen, maßloses Trinken und Fleisch Essen, nachweislich zu wenig körperliche Bewegung oder zu viel geistlose Beschäftigungen bringen sichtbare Maluspunkte. Stolz werden hingegen immer mehr ihren ökologischen Fußabdruck posten und fordern, dass die anderen das auch tun. Wir Gutmenschen wollen doch endlich mal die Umweltschweine und Öko-Ignoranten an den Medienpranger stellen. Und mit Big-Data ist das jetzt alles bestens möglich. Eine Gesellschaft, die sich freiwillig selbst überwacht.

Juli Zeh, eine sehr weitsichtige und engagierte Autorin hat diese absehbare Entwicklung zur gutmeinenden „Kontrollgesellschaft“ in ihrem Roman Corpus Delicti schon vor Jahren gedanklich vorweggenommen.

Jeder muss sich eingestehen, dass viele seiner Handlungen und Entscheidungen im konkreten Sinne des Wortes berechenbar sind. Keiner kann sich ständig bewusst irrational verhalten, um möglichen Prognosen über sich zu entgehen. Und irgendwann berechnen die „Quants“ auch dies mit ein. Dennoch sind wir freie Individuen, zumindest solange wir nicht nur uns, sondern auch allen anderen ihre Geheimnisse gestatten. Doch derzeit laufen wir Gefahr, viele andere zu diskriminieren, wenn sie sich nicht dem moralisch geforderten Drang nach Optimierung und Transparenz beugen.


Quelle:

Thomas Barsch's Amazon Buch Rezension zu:

„Sie wissen alles: Wie intelligente Maschinen in unser Leben eindringen und warum wir für unsere Freiheit kämpfen müssen“ von Yvonne Hostetter
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Montag, 31. Oktober 2016, 18:10

Ich sehe es so, das irrationale gerät um so mehr in den Vordergrund des zu erwartenden, des kommenden. Plötzlich wird die Gesunde Angst als irrational definiert, die von außen forciert wird. Das blöde ist, auf einmal stehst du mit deiner Angst nicht mehr alleine da. Jemand sagt von außen du bist oder handelst irrational. Und erst dann beginnt das grübeln in dir selbst.
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Montag, 31. Oktober 2016, 18:15

Ich meinte im Eingangsposting mit irrationaler Angst, eine Angst vor etwas, was keine echte Bedrohung ist, oder eine Angst, die eklatant die Risiken überschätzt.

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Montag, 31. Oktober 2016, 18:20

Ich meinte im Eingangsposting mit irrationaler Angst, eine Angst vor etwas, was keine echte Bedrohung ist, oder eine Angst, die eklatant die Risiken überschätzt.
Sicher, aber das ist auf vielen Ebenen in Deutschland das was passiert. Risiken werden zu einer Bedrohhung, nur beschriebene Bedrohungen, keine realen!


Keine Realen meint nicht, es gäbe individuell keine Bedrohungen.
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Montag, 31. Oktober 2016, 18:49

Naja, in meinem Beispiel geht von mir ja objektiv keine Bedrohung aus. Wenn dennoch jemand Angst vor mir hat, so ist diese Angst irrational. Das meine ich.

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Montag, 31. Oktober 2016, 18:54

Naja, in meinem Beispiel geht von mir ja objektiv keine Bedrohung aus. Wenn dennoch jemand Angst vor mir hat, so ist diese Angst irrational. Das meine ich.
Nur wenn du ganz alleine, für dich selbst davon aus gehst, niemand muss wirklich Angst vor dir haben mag das so anzusehen sein. Dein Verhalten und Handeln scheint das eventuell nicht zu unterstützen. Weil sonst wäre es ja nicht zu deiner Frage gekommen.
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Montag, 31. Oktober 2016, 19:12

In dem Fall entsteht die Angst allein durch mein Geschlecht. Die Tatsache, dass ich ein Mann bin, lässt mich in der Situation zur empfundenen Bedrohung werden.

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