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andyhank

Profipopohinhalter

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Registrierungsdatum: 19. Juni 2007

Wohnort: Glasowerstr. 5, 12529 Schönefeld

Beruf: hab ich

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1

Montag, 23. Juni 2008, 23:26

Hunger

Viele wissen gar nicht, was „Hunger“ bedeutet. Sie weisen höchstens auf das Hungergefühl, auf den knurrenden Magen hin und können gar nicht beurteilen, wie es ist, wenn man wirklich Hunger hat und womöglich Gras essen würde, nur um dem beißenden Ansturm da innen Herr zu werden.

Hunger? In der heutigen Zeit? Nun, wenn man sich die wohlbeleibten Herrschaften anschaut, die träge in ihren Motorkutschen dahinstolzieren, wenn man sich selbst Harz4-Empfänger anschaut, die in der Masse der Passanten auffällig beleibt daherlaufen und wohl einen großen Anteil der Bevölkerung darstellen, fragt man sich, was macht man falsch, dass man so ein Hungerhaken ist. Vielleicht ist die Frage aber auch falsch. Vielleicht müsste es heißen, was macht man richtig, um nicht so wie die anderen zu sein? Gut, bei manchen Leuten ist das Dicksein krankheitsbedingt und hat nichts mit der Lebensführung zu tun, doch bei den meisten, die sehr wohl etwas dagegen tun könnten, liegen derartige Erkenntnisse nicht vor. Sie sind einfach zu faul, zu träge, in ihrer Lebenseinstellung zu träge, um etwas zu ändern. Vielleicht wollen sie es auch nicht – man ist vielleicht zu sehr an das Umfeld angepasst, das ja auch so ist. Eine fadenscheinige Ausrede, die um das Problem, was vielleicht keines ist, herumführt? Wer weiß. Spekulationen sind eine Zierde der persönlichen Psychologie.

Hunger. Vielleicht liegt es daran, dass die Lebensweise ausschweifender ist, als der Geldbeutel zulässt? Oder der Geldbeutel zu klein geraten ist, um eine vernünftige Lebensweise generieren zu können? Aber, was ist schon „vernünftig“? Das liegt im Sinne des Betrachters.

Hunger – ich weiß, was das ist. Das endlose Umherstreifen in der Küche, dem leeren Kühlschrank doch noch etwas zu entreißen, etwas, was eigentlich nicht vorhanden ist. Auf der Suche nach etwas, was den Magen füllt, egal was, Hauptsache das Hungergefühl schwindet. Es muss nicht schmecken, es muss sättigen. Gut, schmecken soll es auch, aber in erster Linie geht es ums überleben. Man kann ja nicht ewig nur trinken! Und damit meine ich jetzt nicht den Alkohol, sondern stinknormales Wasser. An den Geschirrspüler wage ich mich nicht. Ich weiß, der bekommt mir nicht und - schmecken? Weit gefehlt…! Die Küche wird kopfüber gestellt, man beginnt sie kennenzulernen, unfreiwillig, bis ins kleinste Eckchen, bis man eventuell fündig wird. Wenn man verschuldet ist, fehlt es an allem, so ist das nun mal…

Man geht des Nachts zum Schweinestall und klaubt heimlich Schweinekartoffeln, eine minderwertige Sorte, die eigentlich zur Schweinemast dienen sollte. Es ist peinlich, doch vonnöten! Und Linsen – in Hülle und Fülle, Gewürze, Wasser alles vorhanden. Aber mehr auch nicht. Linsen können kein Geldersatz sein. Aber den Magen füllen. Fazit: Kochbuch raus, Linseneintopf kochen. Ohne Fleisch, nur Linsen, Kartoffeln, Gewürze, Wasser. Salz ist vorhanden, zum Glück! Drei Wochen Linseneintopf. Früh, Mittag, abends. Ich kann das Zeug nicht mehr sehen! Aber der Hunger treibt’s rein. Kein Geld vorhanden, sich auf den Weg zu machen, um einkaufen zu können. Nichts. Erst in drei Wochen gibt es den nächsten Hungerlohn. Fürs Nichtstun. Arbeitslos - sagt man. Die Lebensweise war vorher eine andere. Man musste sich umstellen, mit wenigem auszukommen. Plötzlich! Von heute auf morgen! So schnell geht das aber nicht! Also weiter Linseneintopf. Früh, Mittag, abends. Kann schon keine mehr sehen. Aber wenn der Hunger kneift ist alles egal. Hauptsache essen und satt sein…

Drei Wochen Linsen. Dann kam Geld. Endlich! Der erste Einkauf kam mir wie Luxus vor, etwas, was anderen Leuten vielleicht selbstverständlich ist. Und die nächsten 11 Jahre gab es keine Linsen mehr. Konnte sie nicht mehr sehen. Bis irgendwann die Lust kam, doch mal „wieder“ Linsen zu kochen. Und sie tatsächlich schmeckten. Hunger… Ich weiß, was das ist. Hunger ist etwas, was einen dazu verleitet, bei der Nachbarin im Kühlschrank zu stöbern und sich etwas zum Essen zu stibitzen und hoffen, dass sie es nicht merkt. Verzweifelte Aktionen, die einen zum Äußersten treiben. Ich möchte dieses nicht wieder durchmachen müssen. Doch ich ahne, dass diese Zeit irgendwann wiederkommen wird. Aber dann unter einem anderen Stern und anderen Umständen, die diesmal nichts mit der Lebensweise zu tun haben und einen dennoch betrifft. Doch dann ist es nicht meine Schuld – doch damit umgehen muss ich dennoch.

Ich will es nicht noch mal durchmachen, was aber zum jetzigen Zeitpunkt nicht bedeutet, ich würde maßlos sein. Nein, noch ist mir vieles von dem, was anderen normal erscheint, Luxus – etwas Besonderes, was ich mir nicht jeden Tag leiste. Und manchmal – bin ich auch einfach zu faul, mir etwas zu machen. Bis der Zeitpunkt gekommen ist, wo ich essen muss, weil ich Hunger habe…

andyhank

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2

Mittwoch, 25. Juni 2008, 23:06

Ich finde es schön, wenn dazu niemand etwas zu berichten weiß, woraus ich schließe, dass es allen gut geht und sie noch nie das "Vergnügen" hatten, Hunger leiden zu müssen. Hoffen wir, dass es auch so bleibt!

avenzia

unregistriert

3

Mittwoch, 25. Juni 2008, 23:14

Doch andy mir ist es schon passiert- es war nach der Euroumstellung, alle hatten Panik Schüler haben sich abgemeldet und keine neuen an.
Ich habe viele Freunde und weil sie wissen sie bekommen es immer zurück bekomme ich auch regelmäßig was geliehen ( oder auch geschenkt) - aber da war einfach der Supergau erreicht, ich wollte nichts mehr leihen, da ich wußte ich kann es nicht zurückgeben, die Bank hat mir das Konto dichtgemacht mich danach rausgeschmissen und das Telefon war auch weg, Handy ganz zu schweigen. Rechnungen bis zum Hals Mahnungen und Inkasso.
Da war es soweit, dass ich sogar Klopapier aus meiner Musikschule mitgehen ließ und in die Schränke geschaut habe ob was zu nagen da ist.

LauraLee

unregistriert

4

Donnerstag, 26. Juni 2008, 00:50

Meine Oma weiß noch was Hunger ist. Sie hatte im 2. WK deswegen sogar Meerschweinchen gegessen.

Bei der ganzen Armut in Deutschland: es gibt doch auch die Tafel, leider nicht überall, aber definitiv in Berlin.

Ich kann mich nicht in die Lage der Leute versetzen, die das Angebot wahrnehmen müssen, ich kann es auch nicht bei Leuten, die den Anspruch darauf haben, es aber nicht wahrnehmen...

...zum Glück.

Dieser Beitrag wurde bereits 1 mal editiert, zuletzt von »LauraLee« (26. Juni 2008, 00:53)


Michael8

unregistriert

5

Donnerstag, 26. Juni 2008, 10:28

Nee, Andi, so schlimm habe ich es wirklich nicht erlebt, das Äußerste war, dass ich als 17-jähriger mal 10 Wochen von Brot und Margarine leben musste, weil alle Quellen versiegt waren. Die Freude, als ich mir dann ein winziges Scheibchen Schinken drauflegen konnte!

Ich weiss aber, dass es jeden mal erwischen kann. Glücklicherweise scheint es auch bei Dir länger zurück zu liegen. Natürlich bleibt so etwas für immer im Körpergedächtnis haften.

Ansonsten gebe ich Dir gerne etwas von meiner Grillwurst ab ... auf deiner Party! :D :D :D

Dieser Beitrag wurde bereits 1 mal editiert, zuletzt von »Michael8« (26. Juni 2008, 10:28)


Adara

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6

Donnerstag, 26. Juni 2008, 13:04

Schlimm, wenn man so etwas erleben muss. Wirklich gehungert hab ich nun nie, es gab Zeiten, wo halt nur Nudeln auf dem Plan standen und auch mal eine Weile, in der der Strom abgestellt war. Aber wirklichen Hunger, nein, den kenn ich nicht. In dem Fall hätte ich auch immer noch Menschen hinter mir, auf die ich zurück greifen könnte, was ich wohl auch tun würde, wenn wirklich nichts mehr zu Essen da wäre. Die ohnmächtige Verzweiflung und Berge von Rechnungen, die sich türmen, die kenne ich schon. Aber es ist nicht so tief gegangen, dass ich völlig ohne Essen da stand. Das wünscht man wohl auch keinem und doch passiert es täglich irgendwo.
Am Grunde der Seele, da lebt mein Verlangen
Mich ganz hinzugeben an mein eig'nes Herz
Durch Liebe geläutert, zur Demut gefunden
Öffne ich mich tiefer für das, was ich wirklich bin