Ich bin warhscheinlich der Einzige hier, der Menschen, die (oder deren Angehörige) einer Organspende zugestimmt haben auf ihrem letzten Weg begleitet haben, die gesehen haben wie ein Herz aufhört zu schlagen, und die das Beatmungsgerät abgeschaltet haben, während das Entnahmeteam noch am operieren ist (wenn das Herz entnommen ist - kein Kreislauf mehr - das letzte ist die Lunge)
Ich bin wahrscheinlich der einzige hier, der mit Angehörigen am Bett stand, die diese schwere Entscheidung getroffen haben- und ich bin der einzige, der mit Angehörigen die letzten Stunden vor dem Tod eines geliebten Menschen erlebt hat - egal ob nun mit oder ohne Orgenentnahme.
Ich bin der einzige, der die Entscheidungsfindung Angehöriger und die Aufklärungsgespräche durch Ärzte nicht nur einmal sonden vielfach erlebt hat.
Prädestiniert mich dies etwas zum Thema zu sagen?
Ja und Nein.
Nichts zu sagen habe ich zur Entscheidung das Einzelnen - ich kann jede Entscheidung aktezptieren - eine Ablehnung führt bei mir im konkreten Fall nicht zur Ablehnung der Angehörigen - eine Zustimmung ebensowenig. Belastend empfinde ich die Situtation in vielen Familien in denen nie über das Thema gesprochen wurde - und jetzt innerhalb eines relativ kurzen Zeitraumes möglichst im Sinne des Sterbenden entschieden werden muss. Ich habe Familien daran leiden sehen, dass sie es nicht wussten, wie ihr geliebter Mensch darüber denkt - und das zu einem Zeitpunkt, in dem der Partner, Vater, Sohn und Bruder dabei war zu gehen, mitten aus dem Leben. Diese eine Familie hat sich die Entscheidung nicht leicht gemacht - sie haben sich für eine Organentnahme mit Ausnahme des Herzens entschieden - die Entscheidung wird selbstverständlich respektiert. Andere Familien, so die Eltern eins 19jährigen haben sich dagegen entschieden, denn sie sagten es sei Zeit, dass ihr Sohn nachhause kommt - komplett. Auch diese Entscheidung ist selbstverständlich respektiert worden. Ich habe mit dem Vater des Nachts ein langes Gespräch geführt - wir kamen uns auf einer menschlichen Ebene sehr nah. Beides waren für mich wichtige Erfahrungen die ich nicht missen möchte.
Wozu habe ich nun etwas zu sagen?
Ich habe etwas zu sagen zur Wortwahl des "Ausschlachtens", zu Unterstellung es würde auf Teufel komm raus am Leben erhalten, es würde den Angehörigen Hoffnung gemacht um an Organe zu kommen.
Es verletzt mich, weil ich mit diesen Menschen, die in diesem Bereich gewissenhaft und mit viel Engagement arbeiten, tagtäglich zusammenarbeite. Es verletzt mich, weil ich die Gesichter meiner Kollegen sehe, die Sterbende betreuen, egal ob diese nun als Organspender vom medizinischen Gesichtspunkt her in Frage kommen oder nicht. Es verunglimpft die Arbeit derer, die sich immer wieder viel Zeit nehmen um sich mit Angehörigen auseinanderzusetzten - zu erklären und nochmal zu erklären - Zeit zu geben und Entscheidungen abzuwarten und dann zu respektieren.
Aber ich verstehe auch, dass diese Wortwahl aus der Unwissenheit spricht, aus dem Halbwissen, das durch die Medien und die Gesellschaft kreist. Das ist kein Vorwurf - das THema ist wohl zu komplex um es als Wissen vorauszusetzten.
Ein paar Fakten:
Wer am Unfallort stirbt wird KEIN potentieller ORgenspender.
Bei wem noch Hoffnung besteht - wird KEIN potentieller Orgenaspender.
Potentieller Organspender kann nur werden wer:
Keine (absolut keine!) Gehirnfunktion mehr hat, damit dies überhaupt festgestellt werden kann muss dieser Patient schon künstlich beatmet sein, denn ohne Atmung (Atmung ist eine durchs Gehrin gesteuerte Funkrion) stirbt der Körper wenige Minuten in Folge.
Als Organspender kommt nur in Betracht, wer mit einer Schädigung des Gehirns, die nicht mit dem Leben vereinbar ist UND dem Ausfall ALLER Funktionen des Gehirns beatmet auf einer Intensivstation liegt.
Damit der völlige Ausfall der Gehirnfunktionen überhaupt diagnostiziert werden kann, dürfen keinerlei Medikamente die eine Auswirkung auf das Gehirn mehr haben im Körper mehr vorhanden sein. Dies heißt unter Umständen, dass bei einem Motoradfahrer, der vom Notarzt Intubiert und beatmet wurde es bis zu 4 Tage dauern kann, die die Medikamente den Körper wieder verlassen haben. Vorher dürfen keine Organe entnommen, ja noch nicht einmal die Feststellung des Hirntodes in Angriff genommen werden.
Hirntoddiagnostik wird überhaupt NUR dann gemacht, wenn man aufgrund anderer Parameter davon ausgeht, dass das GEhirn keine Funktion mehr hat. Der Aufwand den Körper zu pflegen und Kreislauf und Biochemie aufrecht zu erhalten in dieser langen Zeit ist ein immenser Aufwand, da ohne Steuerzentrale Gehirn alles dazu tendiert aus dem Ruder zu laufen. Für die Angehörigen ist dies eine immens belastende Zeit - denn die Haut ist warm, sein Herz schlägt und der Brustkorb hebt und senkt sich.
Haben sich Angehörige gegen eine Organentnahme entschieden, so wir in der Regel keine Hirntoddiagnostik betrieben. Es wird die Therapie nicht weiter gesteigert... also keine fiebersenkenden Mittel, keine Stabilisierung des Blutdrucks, keine Antibiotika... das STerben des Körpers erfolgt dann auf fast natürliche Weise.
Handelt es sich um einen jungen Patienten, mit gesundem Körper, so wie der 19jährige von dem ich schrieb, so wird die Hirntoddiagnostik in der Regel trotzdem nötig sein um ein Abschalten des Beatmungsgerätes möglich zu machen.... damit das vollständige Sterben nicht unnötig verzögert wird.
Insgesamt sind Patienten mit einem dissozieierten Hirntod (isolierter Tod des Gehirns) selten. Die Betreuung ist aufwändig und belastend. Wir bekommen immer enige Monate nach der Orgenentnahme einen Brief von der für uns zuständigen Zentrale in denen uns in anonymer WEise mitgeteilt wird wohin die Organe gingen: z.B. eine Niere an eine 28-jährige zweifache Mutter mit akutem Nierenversagen, an einen 56jährigen Familienvater etc etc. Wir erleben die ARbeit mit den Entnahmeteams und der Transplantationszentrale als sehr freundlich und wertschätzend uns, den Spendern und ihren Familien und den Empfängern gegenüber.
Es mag sein, dass mancher dies nicht lesen wollte, dass es ihm zu sehr ins Eingemachte ging - es ist ein schwieriges Thema sich mit dem eigenen Tod auseinanderzusetzten - egal an welchem Punkt und in welcher Hinsicht.
Zur provokativen Aussage von Falke - lieber soll keiner meiner Organe bekommen als SO einer möchte ich lieber keine Stellung beziehen, denn damit ist wohl schon alles gesagt.
Eine Geschichte möchte ich zum Schluss noch anhängen, weil sie mich sehr berührt hat.
Wir bekamen einen Patienten mit über 70 Jahren, der mit einer schweren Hirnblutung keine Überlebenschance hat. Seine Atmung hatte noch nicht ausgesetzt, so dass er nicht beamtet wurde und wir mit seinem STerben innerhalb der nächsten 1-2 Tage rechneten. Von einer lebensverlängernden Therapie wurde abgesehen.
Die Angehörigen suchten das Gespräch mit dem zuständigen Oberarzt und fragten nach der Möglichkeit dass der Mann Organspender werden könne - er hätte dies so gewollt.
Man erklärte den Angehörigen, dass es dazu notwendig wäre ihren Liebsten zu beatmen und eine Menge Diagnostik zu machen - und auch, dass durch die Beatmung eine minimalste Chance - oder vielleicht besser Gefahr- bestünde, dass der Hirntod nicht eintritt und er als schwerst-Pfelgefall überlebt, was er auf keinen Fall wollte.
Die Familie zog sich zu Beratung zurück und ein paar Stunden später verkündeten sie: Ihr Angehöriger hätte gewollt, dass andere von seinen Organen profitieren- insebsondere sei es ihm wichtig gewesen, dass seine Nieren andern das Leben lebenswerter machen würde. Auf nähere Nachfrage kam heraus, dass es in der weiteren Familie einen Organempfänger gab, jemanden, dem die lebenslange Dialyse durch eine Nierentransplantation erspart wurde.
Man entschied sich den Mann zu beatmen. In den folgenden 36 Stunden wurde die Hirntoddiagnostig abgeschlossen und zwei altersgerechte Nieren konnten verpflanzt werden (es gibt ein old-to-old - Programm, diese NIeren gingen also auch an Menschen die nicht mehr ganz so jung sind).
Es war gut so wie es lief - für uns und für die Angehörigen.
Ich habe keinen Spenderausweis, denn ich weiß, dass dies am Unfallort keinen Unterschied macht - es ist Zeit genug meine Betreuungsverfügung zu lesen, in der auch meine ausdrückliche Zustimmung zur Organentnahme steht.