Sie sind nicht angemeldet.

Chat

LinkList

1

Montag, 9. November 2009, 00:14

Glosse!-Wo bleibt denn nur die Contenance?

WENN EIN HUND anfängt den Mond anzuheulen, stimmen immer gleich 2-3 andere mit ein:"aouuuu!"Und ich bin sicher, der erste hat einen Grund: Das Zuhause verloren, Ehe den sprichwörtlichen Bach runter, eine lebensbedrohliche Krankheit, sowas in der Art. Die andern heulen nur mit, weil es so schön schallt.
Dem einen ist schlecht, weil er in der Mittagspause den Schokomuffin zu schnell verschlungen hat, der andere hatte im Flieger einen Mittelplatz, neben einem 150 Kilo Mann, dessen einziges Hobby das Schwitzen zu sein schien, der dritte ist angepisst weil sein Lieblingsfußballverein den Abstieg eben nicht knapp verpasst hat.
Ach Gottchen will man dem jaulenden backroundchor zurufen. "Nu reißt euch mal zusammen! Sofort!"

Contenance ist in unserem Zeitalter in dem sich jeder die fürchterliche Phrase:"den Gefühlen freien Lauf lassen" auf die Fahne pinnt immer mehr das Unwort des Jahres geworden. Man muß sich nur mal im Job umhören, da führt jeder kleine Huster beinahe zur sofortigen Eröffnung eines Spendenfonds, man erwartet sogar Mitgefühl, wenn man schlecht geschlafen hat.

Hauptsponsor der ach so ergreifenden Windjammerparade ist jedoch:"ich hab sooo viel zu tun (mindestens 3 "o")!
Dass dieser Satz in Zeiten der Wirtschaftskrise überhaupt noch offiziell als Einstieg zum Lamento zugelassen ist, damit werden sich in 50 Jahren wohl die Historiker beschäftigen .
"Merkwürdig", werden sich die Forscher in Cordhosen fragen, "war 2009 nicht eher das Problem, das man keine Arbeit mehr hatte?Hm, die konnten sich offenbar nicht so gut zusammenreißen wie damals die Ostpreußen, oder wie ihre eigenen Großmütter anno 45 denen der Russe mal eben das gesamte Haus unterm Hintern weggebombt hatte."
Unsere Großmütter haben auch geheult, und sie hatten einen Grund, aber nicht öffentlich und schon gar nicht, weil ihnen der neue Gucci Schal zerfetzt war. Nein, sie waren die Königinnen der Contenance. Von denen hätte keine mit schmerzverzerrtem Gesicht geheult:"oh nein, der Treck übers Haff hat Verspätung." So wie die Zeitgenossen am Flughafen, die wegen 30 Minuten die Nerven verlieren, weil sie erst nach dem Lunch in der Karibik ankommen.

Genervt die Augen verdrehen, sich selbst bemitleiden und Jammern-der deutsche Triatlon. Alles muß unbedingt immer gleich raus. Man leidet fürchterlich, weil man nicht schwanger wird. An und für sich ein ernstes Problem und sicher erfreulich, wenn sich eine Lösung findet. Doch da darf man mal eben eine ganze Abendgesellschaft sprengen, weil man beim Anblick eines dicken Bauches in helle Tränen ausbricht. Nach dem Motto: "Liebe Gastgeber, ich nehme aufgrund meiner privaten Situation , jetzt mal die Feierlaune von 25 Leuten mit in den Keller. Was dagegen?"

Dass "sich gehen lassen" nicht immer zu Verständnis führt und Contenance das bewundernswerte Gegenteil ist begreifen leider nicht Allzuviele. Wer zuviel jault zieht alle mit runter und was spricht dagegen, kleinere Alltagsorgen mal ausnahmsweise mit sich selbst auszumachen, anstatt zu jammern, wie ausgesprochen schlecht die Welt ist?

Mal davon abgesehen, dass man sich auch schon mal bis auf die Knochen blamieren kann, wenn man beklagt, dass man auf dem neuen 200 Euro Handy nur 48 Nummern speichern kann und ein Bekannter erwiedert , er habe seinen Burberry Schal verloren-in den Trümmern des Kölner Stadtarchivs, aus denen er sich in letzter Sekunde noch retten konnte...

Dieser Beitrag wurde bereits 1 mal editiert, zuletzt von »Dany« (9. November 2009, 00:28)


miri

subDominante

  • »miri« ist weiblich

Beiträge: 31 414

Registrierungsdatum: 17. Juni 2007

Wohnort: frankfurt

Neigung: passiv

Familienstand: Spielepartnerschaft

  • Nachricht senden

2

Montag, 9. November 2009, 07:13

wieder mal herrlich :)

am schlimmsten ist es für mich, wenn ich sage: "ich geh jetzt arbeiten"... und gleich erwidert wird "ach, du ärmste" oder wenn ich sage: "ich hab viel zu tun" und man meint, mich bemitleiden zu müssen mit: "ach du hast ja so furchtbaren stress." irgendwie KANN man meine sätze wohl nur jammernd verstehen, egal, wie fröhlich ich sie gesagt oder geschrieben habe.

ich antworte dann immer mit: "nein, nur viel zu tun und das ist gut so, denn ich lebe und arbeite gern." :)

am allerschlimmsten finde ich jedoch, wenn jemand von seinem WIRKLICHEN leid erzählt und das gegenüber nach einem kurzen, oberflächlichen "nein, wie furchtbar" anhebt, sein eigenes leid auszubreiten oder das der nachbarin oder der bekannten der nachbarin... da könnte ich glatt k... und dabei ist s mir(i) dann auch einerlei, ob das ne ganz schlimme geschichte ist...
Du bist ein Wunsch, den Gott sich selbst erfüllt hat. :sonne:

H.J. Eckstein

ottilie

"durchorganisierte Chaotin"

  • »ottilie« ist weiblich

Beiträge: 5 644

Registrierungsdatum: 19. Oktober 2007

Wohnort: Sinsheim

Neigung: passiv

Familienstand: Single

  • Nachricht senden

3

Montag, 9. November 2009, 08:23

Ich stimme Dany und miri zu - jammern ist in!
Sicherlich bin ich nicht gefeit davor, der mitjaulende Hund zu sein. Aber im Großen und Ganzen rückt so ein "Jammern" manches ins rechte Licht.

Klar hab ich viel zu tun, weil sich so viele Jobs nicht von alleine machen. Aber da ich nicht Nein sagen kann, ist es letztendlich mein Problem - und alles mache ich freiwillig und meistens gern. Dafür bemitleidet zu werden ist manchmal auch peinlich - wenn es zu arg ist. Ich wiegel dann meistens ab. Allerdings freuen sich Freunde dann auch mit mir, wenn ich Zeit habe - und ich mich auch!

Denn das ist mMn der Umkehrschluss:
Wir jammern über Kleinigkeiten und freuen uns zu wenig, wenn dann mal was gut läuft.
Ein Lächeln ist ein Licht im Fenster der Seele,
ein Zeichen dafür, dass das Herz zu Hause ist.

claudi

Profi

  • »claudi« ist weiblich

Beiträge: 1 134

Registrierungsdatum: 21. Juni 2007

Wohnort: Westlich von München

Beruf: Selbstständig

Neigung: passiv

Familienstand: glücklicher Single

  • Nachricht senden

4

Montag, 9. November 2009, 08:50

ohjaaa, herrliches Thema und wunderbar von Dany beschrieben. Und sehr treffend.


Ich hab auch ein gutes Beispiel. Sagt die eine zur Anderen: Mein gott, ich weiß gar nicht welche Gucci Tasche ich mir kaufen soll, die für 2000,- oder die teurere für knapp 3000,-
Sagt die andere: Mein gott du arme. Aber ich kann Dein Dilemma gut verstehen, ich könnte mich da auch grad nicht entscheiden. Daneben sitzt ein Hartz 4 Empfänger der grad nicht weiß wie er für die letzte Woche des Monats zum Essen einkaufen soll weil einfach kein Geld mehr da ist.
Wenn Du unverhofft einem Menschen begegnest,
der Dein Herz berührt, Dein Leben bereichert
und Dich glücklich macht,
dann musst Du ihn nicht festhalten.
Wenn er das Gleiche fühlt wie Du,
wird er freiwillig bei Dir bleiben...