Ich kann rosenengel nur beipflichten, nach solch einer Situation schätzt man die kleinen Details des Lebens, die man sonst vielleicht gar nicht sieht, völlig anders.
Ich hatte Anfang 2000 eine Operation, um ein künstliches Hüftgelenk zu bekommen. Die Monate zuvor ging es mit der natürlichen Hüfte rapide bergab, schon um etwa 100m mit dem Hund Gassi gehen zu können, mußte ich eine halbe Schachtel harter Schmerztabletten einwerfen, war jede Woche beim Doc, um Injektionen direkt in's völlig kaputte Gelenk machen zu lassen, deren Wirkung meist schon einge Stunden später wieder abflaute.
Wie schön war es Monate später nach Krankenhaus, Reha und monatelanger Krückenlauferei, erst wieder ein paar Minuten, dann eine halbe Stunde, später auch mal zwei oder drei Stunden einfach ohne Schmerzen spazierengehen zu können. Und zu entdecken, daß ich mit der Kunsthüfte sogar rennen kann.
Ich habe ganz vorsichtig die Geschwindigkeit gesteigert und wirklich Schritt für Schritt entdeckt, daß auch das geht.
Einige Jahre später hatte ich eine Leistenbruch-OP. Irgendwas muß da wohl schiefgelaufen sein. Ich lag nach der OP im Bett, meine Exfrau war da und wir unterhielten uns. Dann ging sie in die Cafeteria, um sich einen Kaffee zu holen. Ich merkte nur noch, wie mir schwarz vor Augen wurde - ob mein Bettnachbar das mitgekriegt hat oder ich noch selbst den roten Knopf drücken konnte, weiß ich nicht mehr.
Das Nächste an das ich mich erinnere war, daß das ganze Zimmer voller ziemlich hektischer Ärzte war, irgendjemand sagte was von 30:60 (mein Blutdruck?) und dann bekam ich über Nacht Intensivüberwachung und Beatmung mit reinem Sauerstoff. Dusel gehabt.
Komischerweise sind es aber vor allem die kleinen und großen Mißgeschicke und Peinlichkeiten, die mir in präsent bleiben. So z.B. folgende:
Ich hatte einen Praktikumsplatz bei einem renommierten Hersteller für Haushaltsgeräte ergattert. Am ersten Tag bekam ich beim Mittagessen "nur" noch einen Platz an einem der Managementtische.
Es gab Fisch mit reichlich Remoulade und dem obligaten Zitronenschnitz.
Ich wollte die Zitrone bei all den Nadelstreifen nicht einfach in die Hand nehmen sondern versuchte, das remouladenverschmierte Ding stilvoll mit Messer und Gabel auszuquetschen.
*Flitsch*...
...rutschte mir die Zitrone weg und ich sah sie wie in Zeitlupe auf den dunklen Zweireiher meines Nebensitzers zurasen. Dann neigte sich ihre Flugbahn zum Glück und sie fiel zu Boden, ohne ihn berührt zu haben.
Mann-o-Mann...
Die Geschichte ging mir noch tagelang nach. Gleich am ersten Tag einem dieser Manager beinahe den Anzug versaut zu haben...
Oder folgendes: Abschlußveranstaltung der Berufsschule nach bestandener Prüfung. Wir wurden einzeln auf die Bühne der Aula gerufen, bekamen einen Händedruck, irgendwelche offiziellen Worte und unseren Schein vom Direktor.
Laaaaaaaangweiiiiiiiiliiiiiiiig.... *Gääähn*
Wir fünf von unserer Firma lagen mit den Anfangs-Buchstaben unserer Nachnamen in der Mitte des Alphabets, grinsten uns an und überschlugen mal kurz, daß es noch etwa 2 Stunden gehen wird, bis der erste von uns dran kommt. Also raus und noch schnell auf ein Bierchen in unsere Stammkneipe um's Eck. Das Mädel kam mit ihrem Tablett mit 5 dieser hohen schlanken Biergläser um die Kurve, dann verlor sie die Balance und die 5 x 0,5 Liter Pils ergossen sich zielgenau über mich.
Ich sah aus und stank wie ein Schwein. Und zum Nachhausefahren und Umziehen reichte die Zeit nicht mehr. Dem Mädel war das entsetzlich peinlich und sie schüttete uns als Entschuldigung mit zahlreichen Freirunden auf Kosten des Hauses zu.
Ich also notgedrungen so wie ich war, angeschickert, klatschnaß und nach Bier stinkend wie ein Penner mit den Anderen wieder zurück in die Schule.
Den Blick von dem Direx als ich vortrat hättet ihr sehen sollen. "Na Herr M..., dann wünsche ich Ihnen mal alles Gute für ihren weiteren Berufsweg... *klebriges Händeschütteln* Mit hochrotem Kopf wieder von der Bühne runter und versucht, unauffälligst in der Menge zu verschwinden, was mir aber nicht wirklich gelang.